Coaching, Seminare und Supervision Jasmin Halbritter
Neue Autorität
Autorität durch Beziehung
Das Konzept der neuen Autorität wurde von Haim Omer entwickelt. Gemeinsam mit zahlreichen weiteren renommierten Experten, wie Arist von Schlippe, arbeitete er daran, eine neue Haltung in Bezug auf Autorität im Erziehungskontext zu etablieren. Die neue Autorität fußt dabei auf den Grundpfeilern des gewaltlosen Widerstandes nach Mahatma Gandhi und Martin Luther King (vgl. Omer 2016, S.15).
Der gesellschaftliche Umbruch
Beziehung und freie Entfaltung
Allein die Nutzung des Terminus "Autorität" führt bei einigen Eltern und Fachkräften schon zu Widerstand. In zahlreichen Seminaren, Workshops und Weiterbildungssettings stieß der Begriff immer wieder auf Ablehnung. Gerade bei Fachkräften des sozialen Bereichs handelt es sich um einen ambivalent besetzten Ausdruck, mit dem eher Negatives assoziiert wird. Dies ist nicht verwunderlich, denn erzählen manche Menschen der älteren Generation von der Beziehung zu den eigenen Eltern, werden Sätze wiedergegeben, die strenge Hierarchie transportieren, auf Unterdrückung und Angst als Methode setzen und wenig mit dem aktuellen Bild, einer liebevollen Beziehung gemein haben. Diese destruktive Autorität verhalf den Eltern zwar zu einer sicheren Machtposition und führte zu Gehorsamkeit, vergrößerte jedoch auch die emotionale Distanz zwischen Eltern und Kind.
Die Abkehr von dieser destruktiven Autorität war notwendig, führte jedoch zum Verlust der Unantastbarkeit. Eltern wurden nun von einer Vielzahl an "richtigen" und "falschen" Erziehungskonzepten überrollt und dadurch verunsichert (vgl. Körner, 2019 S. 17f). Autorität galt nun als schrecklicher Übeltäter und war gänzlich abzulehnen. Sie mutierte zum Schreckgespenst der freien Persönlichkeitsentfaltung, welches die Bindung zwischen Eltern und Kind nachhaltig schädigen könnte (vgl. Omer u. Streit 2019, S. 19). Die Elternzentrierung vergangener Zeitalter war obsolet und wurde von einer kindzentrierten Haltung abgelöst (vgl. Omer u. von Schlippe 2016, S. 21). Das jedoch eine Laisser-faire oder auch antiautoritäre Erziehung ebenfalls nicht den goldenen Weg darstellt, wurde in den vergangen Jahren immer klarer. Bei antiautoritär erzogenen Kindern konnte zunehmend eine geringe Frustrationstoleranz, eine Tendenz zur Grenzüberschreitung und ein mangelnder Selbstwert beobachtet werden. Die Eltern sind oftmals in einem Kreislauf zwischen Massivität und Passivität gefangen (vgl. Omer, v. Schlippe 2019, S. 16).
Doch wie kann es den Eltern gelingen, einen Weg zwischen diesen beiden Extremen zu gehen, der Sie in ihrer Elternrolle stärkt und zugleich die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Kinder fördert? Betrachtet man das Konstrukt der Autorität neutral, eröffnet sich uns die Möglichkeit, die positiven Anteile von Autorität wahrzunehmen und unseren Kindern ihre haltgebende Komponente zur Verfügung zu stellen.
Stellen wir die beiden Modelle gegenüber (vgl. Steinkeller u Ofner, 2014), erschließt sich sehr schnell, durch welch große Unterschiede diese getrennt sind.
Traditionelle Autorität
Furcht und Distanz
Kontrolle
Hierarchie
Vergeltungspflicht/Strafe
Machtspiele
Gesichtsverlust
Immunität vor Kritik
Dringlichkeit
Einsamkeit/Isolation
Neue Autorität
Präsenz/Beziehung
Selbstkontrolle
Netzwerk (Wir)
Eskalationsvorbeugung
Wiedergutmachung
Transparenz
Beharrlichkeit
Einschätzbarkeit
Sicherheit/Geborgenheit
Auf die Haltung kommt es an!
Stärke statt Macht
Es geht demnach nicht um die "Stärke der Faust, die den anderen besiegen und kleinmachen will (sei es physisch oder verbal). Es geht um die Stärke des Ankers, der beharrlich bleibt" (Omer u. von Schlippe, Vorwort; Körner et.al. 2019, S. 9). Kindern wird durch diese Haltung ein sicherer Hafen bereitgestellt, in dem sie explorativ nach neuen Ufern Ausschau halten können, immer mit dem Wissen, der Heimathafen bietet Schutz und Geborgenheit in stürmischen Zeiten. Denn gerade in den stürmischen Zeiten der Erziehung, Beziehung und Entwicklung ist es besonders notwendig, dass Eltern präsent sind, diese das Kind nicht alleine lassen und signalisieren, "Ich bin hier und bleibe da. Ich bleibe auch da, wenn es unangenehm wird und du mich vielleicht wegschicken willst, oder wenn Gefahren und Probleme drohen (Omer u. Streit 2019 S.19f). "Wir geben dir nicht nach und wir geben dich nicht auf" (Körner et. al. 2019, S.16). Dieses ganz bewusste und beharrliche Einnehmen der Elternrolle und das in Beziehung bleiben ist eine wesentliche Säule, um den Kindern Sicherheit zu vermitteln und sie zur Persönlichkeitsentfaltung zu beflügeln.
Literatur und Quellen:
Körner B., Lemme M., Ofner S., von der Recke T., Seefeldt C. und Thelen H. (2019) Neue Autorität. Das Handbuch. Konzeptionelle Grundlagen, aktuelle Arbeitsfelder und neue Anwendungsgebiete. Vandenhoeck& Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen.
Omer H., von Schlippe A. (2016) : Autorität durch Beziehung Die Praxis des gewaltlosen Wiederstands in der Erziehung. 9., Auflage. Vandenhoeck& Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen.
Omer H., Streit P. (2019): Neue Autorität: Das Geheimnis starker Eltern. 2., Auflage. Vandenhoeck& Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen.
Steinkelle, H., Ofner S. (2014) Stärke statt Macht. Skriptum für Trainingsseminare.Linz:PH.
von Schlippe A., Grabbe M. (Hg.) (2012): Werkstattbuch Elterncoaching. Elterliche Präsenz und gewaltloser Widerstand in der Praxis. 3. Auflage. Vandenhoeck& Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen.